Der Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifzierten Sachverständigen Österreichs wurde bereits wiederholt mit der Frage konfrontiert, ob Sachverständige anlässlich der Befundaufnahme Bild-, Ton- oder Videoaufzeichnungen vornehmen dürfen.
Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes vertritt zu dieser Frage zusammengefasst folgende Rechtsauffassung:
- Ist auf einer Bildaufnahme eine Person zu erkennen bzw auf einer Tonaufnahme eine Person zu hören und reichen diese Angaben aus, um die Identität einer Person zu bestimmen oder bestimmbar zu machen, liegen Daten im Sinne des § 4 Z 1 Datenschutzgesetz 2000 (DSG) vor, die vom Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG umfasst sind.
- Ein Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz ist gemäß § 1 Abs. 2 DSG nur im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen, mit seiner Zustimmung oder aufgrund überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur dann, wenn dies in einem den Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK Rechnung tragenden Gesetz vorgesehen ist.
- Die Rechtmäßigkeit der Datenverwendung zu beurteilen und gegebenenfalls zu rechtfertigen, ist Sache des Sachverständigen. Er ist für die Einhaltung der Bestimmungen des DSG verantwortlich und hat gegebenenfalls auch der Meldepflicht gemäß der §§ 17 ff DSG nachzukommen.
- Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Sachverständigen im Bestellungsbeschluss konkrete Ermittlungsmethoden aufgetragen werden. Diesfalls treffen die vorgenannten Pflichten die das Gutachten beauftragende Behörde.
- Entschließt sich ein Sachverständiger eigenständig zu Bild- und/oder Tonaufnahmen im Rahmen der Erstellung eines Gutachtens, so muss dieser Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz – bei sonstiger Rechtswidrigkeit der Datenverwendung – den Anforderungen der §§ 6-9 DSG entsprechen.
- Soweit bei Bildaufnahmen im gegebenen Kontext sensible Daten gemäß § 4 Z 2 DSG anfallen, ist eine Datenverwendung überhaupt nur dann zulässig, wenn die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen gemäß § 9 DSG nicht verletzt werden, wobei § 9 DSG eine abschließende Aufzählung von Rechtfertigungsgründen enthält.
- Hervorzuheben ist aber, dass Bild- und/oder Tonaufnahmen mit Zustimmung des Betroffenen (das ist gemäß § 4 Z 14 DSG jeder, dessen Daten verwendet werden sollen) zulässig sind, wobei der Betroffene jederzeit seine Zustimmung widerrufen kann, was die Unzulässigkeit der weiteren Datenverwendung bewirkt.
- Wenn Videoaufnahmen in den Anwendungsbereich des Abschnitts 9a des DSG (Videoüberwachung) fallen, gelten die Spezialnormen der §§ 50a ff DSG, vor allem betreffend Protokollierungs- und Löschungspflicht, Meldepflicht und Auskunftsrecht.
Das Schreiben des Verfassungsdienstes vom 22.6.2012 finden Sie hier.
Unabhängig von datenschutzrechtlichen Bestimmungen ist zusätzlich das aus § 16 ABGB ableitbare Persönlichkeitsrecht auf Schutz der Privat- und Geheimsphäre zu beachten.
Aus der Sicht des Verbandes wird vor dem Hintergrund dieser Rechtslage empfohlen, sich vor der Anfertigung von Video-, Bild- oder Tonaufnahmen anlässlich einer Befundaufnahme jedenfalls der Zustimmung aller Betroffenen zu vergewissern und diese auch im Befund festzuhalten.
Hier gelangen Sie zu einer aktuelle OGH-Entscheidung zum Thema.