Die Ermittlungen der Justiz rund um den Verkauf der Hypo Alpe Adria haben auch eine Diskussion über die Qualität und Honorierung der vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft bestellten oder auch im privaten Auftrag tätigen Gutachterinnen und Gutachter entfacht. In der Medienberichterstattung ist von 30- oder gar 39-facher Überhöhung des bezahlten Honorars und auch davon die Rede, dass Gutachter generell zu Ergebnissen kommen, die ihre Auftraggeber wünschen. Oft müssten ausländische, namentlich deutsche, Sachverständige beigezogen werden, um eine sachgerechte Beurteilung zu erhalten.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Berichterstattung auf ein laufendes Gerichtsverfahren bezieht und dass der Hauptverband der Gerichtssachverständigen zu solchen Verfahren aus grundsätzlichen Erwägungen keine Stellungnahme abgibt.
Aber:
Die Berichterstattung beschränkt sich hier nicht nur auf die handelnden Personen, sondern bezieht auch in generalisierender Betrachtung eine ganze Personengruppe („die Sachverständigen“) und damit fast zehntausend Menschen mit ein, denen damit dieselben Vorwürfe gemacht werden und die damit ohne jede sachliche Rechtfertigung Ziel eines kollektiven Schuldvorwurfs werden. Natürlich ist es legitim, die Sachkunde, Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Sachverständigen, aber auch ihre Honorierung öffentlich zu diskutieren. Einem solchen Diskussionsprozess wird sich der Hauptverband der Gerichtssachverständigen, der ja die Verwirklichung der genannten Grundsätze in seinen Standesregeln ohne Wenn und Aber fordert und dem die materielle Absicherung seiner Mitglieder selbstverständlich ein einleuchtendes Anliegen ist, nie verschließen.
Mit aller Deutlichkeit ist aber jede Verallgemeinerung zurückzuweisen, die in Richtung des oben bewusst provokant gewählten Titels geht. In Österreich werden allein im Bereich der Justiz pro Jahr etwa 150.000 Aufträge zur Erstellung von behördlichen Gutachten („Gerichtsgutachten“) erstellt. In fast allen Fällen können die Gerichte und Staatsanwaltschaften die Ergebnisse der dadurch ausgelösten Gutachtertätigkeit übernehmen. Haftungsfälle sind wie bei jeder anspruchsvollen Tätigkeit, die von Menschen ausgeübt wird, nie ganz vermeidbar, sind aber – auch im Vergleich mit anderen Dienstleistungsbereichen – überaus selten. Der Vorwurf mangelnder Sachkunde, Objektivität, Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wird zwar von Verfahrensbeteiligten immer wieder erhoben, stellt sich aber - nicht ganz unerwartet – sehr häufig als taktisches Manöver heraus. Zwar trifft es zu, dass in heiklen Fällen auch ausländische Sachverständige herangezogen werden, um den Vorwurf mangelnder Distanz erst gar nicht aufkommen zu lassen. Dies unterstreicht zwar das Bemühen der öffentlichen Auftraggeber um größtmögliche Sachlichkeit, lässt aber noch keinen Schluss darauf zu, dass österreichische Sachverständige im konkreten Fall nicht objektiv wären oder eine gegebene Befangenheit nicht offen legen würden, wie dies ja nach den Standesregeln ihre Pflicht ist.
Und Privatgutachter? Nach den Standesregeln haben auch Sachverständige, die ein Privatgutachten erstatten, die Grundprinzipien der Objektivität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einzuhalten. Abgesehen von Einzelfällen, die bei der großen Zahl solcher Gutachten, die jene von Gerichtsgutachten weit übersteigt, nie völlig auszuschließen sind, gibt es keine Anzeichen dafür, dass diesen Prinzipien nicht entsprochen würde. Auch die Behauptung der Erstattung eines „Gefälligkeitsgutachtens“ gehört leider zum Repertoire naturgemäß einseitiger Parteienvertretung im Prozess, hält aber nur selten einer Überprüfung durch die Gerichte stand. Und noch etwas: Privatgutachten werden nicht über behördlichen Auftrag, sondern im Auftrag von „Privaten“ ohne jede behördliche Kontrolle erstellt. Die Ergebnisse solcher Gutachten sind notwendigerweise davon abhängig, welcher konkrete Auftrag erteilt wird und vor allem, welche Informationen für das Gutachten zur Verfügung gestellt werden. Divergenzen zu Gerichtsgutachten sind oft die Folge von Abweichungen in diesen Bereichen.
Schließlich das Honorar. Ohne jeden Bezug zu dem oben erwähnten Gerichtsverfahren sei hier der Hinweis erlaubt, dass nach den Standesregeln das für ein Privatgutachten vereinbarte Honorar nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der zu erbringenden Leistung stehen darf. Dass es im Übrigen frei vereinbart werden kann, ist Ausfluss der unserer Rechtsordnung immanenten Vertragsfreiheit.
Bei Gerichtsgutachten oder im Auftrag der Staatsanwaltschaft erstellten Gutachten geht das hier maßgebliche Gebührenanspruchsgesetz selbst von Stundensätzen bis maximal 150 EUR (netto) aus, wobei die Obergrenze nur bei hoher Qualifikation, besonderer Schwierigkeit des Gutachtens und sehr ausführlicher Begründung erreicht werden kann. Mehr bekommt, wer auf dem freien Markt mehr verdient und dies dem Gericht auch nachweist. Anders wären Expertinnen und Experten der gewünschten hohen Qualifikation nicht zu bekommen. In manchen Bereichen gibt es davon abweichend aber auch völlig unzureichende Honorare: Seit 50 Jahren bestehende Tarife bilIigen etwa einer Fachärztin für Psychiatrie für ein viele Stunden hochqualifizierte Arbeit erforderndes Gutachten über die Möglichkeit der Entlassung einer psychisch kranken Person aus einer Anstalt einen Pauschalbetrag von EUR 195,40 zu!
Fazit: Die österreichischen Gerichtssachverständigen genießen einen sehr guten Ruf und hohes Ansehen. Ich meine, dass sie diesem Ruf trotz der in Einzelfällen mitunter auch berechtigten Vorwürfe gerecht werden. Der Hauptverband der Gerichtssachverständigen als ihre Vertretung wird sich berechtigter Kritik im wohl verstandenen Interesse seiner korrekt, sorgfältig, objektiv und unabhängig handelnden Mitglieder nie verschließen. Der kollektiven Herabsetzung eines ganzen Standes müssen wir aber energisch widersprechen.