In seiner Entscheidung vom 4.9.2013, 7 Ob 110/13x erkannte der OGH, dass die Partei eines Verfahrens (hier: strafrechtliches Ermittlungsverfahren) keinen Anspruch darauf hat, dass ihr der vom Gericht bzw der Behörde beigezogene Sachverständige Auskunft über seine Haftpflichtversicherung erteilt.
Die Klägerin begehrte, den von der Staatsanwaltschaft zum Sachverständigen bestellten Beklagten schuldig zu erkennen, Auskünfte über seine Haftpflichtversicherung zu erteilen, noch bevor dieser Befund und Gutachten erstattet hatte. Es bestünden Zweifel an der fachlichenQualifikation des Beklagten, der bereits mehrfach falsche Gutachten in anderen Strafverfahren erstattet habe. Der Klägerin würden bei einem neuerlich falschen Gutachten beträchtliche Kosten erwachsen. Sie habe daher ein berechtigtes Interesse zu erfahren, ob der Beklagte über den entsprechenden Versicherungsschutz verfüge. Das Auskunftsrecht ergebe sich aus § 2a Abs 1 SDG und aus dem vertragsähnlichen Verhältnis zwischen den Streitteilen.
Der OGH führte aus, dass nach den eindeutigen gesetzlichen Regelungen der §§ 2 und 2a SDG der Sachverständige zwar dem listenführenden Präsidenten des Gerichtshofs erster Instanz den Nachweis über das Bestehen der vom Gesetzgeber geforderten Pflichtversicherung zu erbringen habe. Ein Recht der Parteien, von dem im Verfahren beigezogenen Sachverständigen Auskunft über seine Haftpflichtversicherung fordern zu können, werde hingegen nicht eingeräumt.
Ob § 2a SDG als Schutzgesetz iSv § 1311 ABGB zu verstehen ist und ob die Verfahrensbeteiligten vom Schutzzweck dieser Bestimmung erfasst sind, ließ der OGH offen. Selbst wenn dies der Fall sei, lasse sich aus der klaren gesetzlichen Regelung des § 2a SDG, die eine Auskunftspflicht des Sachverständigen nur gegenüber dem Justizverwaltungsorgan vorsehe, keine taugliche Rechtsgrundlage für ein privatrechtliches Auskunftsbegehren einer Partei gegenüber dem im Verfahren beigezogenen Sachverständigen ableiten.
Der Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO, auf den die Klägerin ihr Begehren ebenfalls stützte, begründet laut OGH keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Rechnungslegung, sondern setzt einen solchen aus Gesetz oder Vertrag entstandenen Anspruch vielmehr voraus.
Ob der vom Gericht dem Beklagten erteilte Auftrag zur Gutachtenserstattung einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter darstelle und somit ein vertragsähnliches Sonderrechtsverhältnis zwischen den Streitteilen begründe, könne ebenfalls dahingestellt bleiben. Selbst bei Bejahung eines solchen Sonderrechtsverhältnisses ließe sich keine Auskunftspflicht gegenüber dem Beklagten „zur Abwehr eines möglichen Schadens im Vorfeld“ ableiten, weil damit kein auch nur annähernd bestimmtes Klagebegehren im Raum stehe. Darüber hinaus sei die von der Klägerin gewünschte Auskunft selbst für die allfällige Geltendmachung von Schadenersatzforderungen gegenüber dem Beklagten nicht erforderlich, betreffe sie doch lediglich die Frage der Einbringlichkeit solcher Forderungen.
Auch die Ausführungen der Klägerin, sie müsse Auskunft darüber erhalten, ob der Beklagte die gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Ausübung seines Amts erfülle, um sich allenfalls gegen die Bestellung eines nicht gesetzeskonform versicherten Sachverständigen wehren zu können, ließen kein berechtigtes Interesse an der geltend gemachten Auskunftserteilung erkennen. Dieses Argument sei unter anderen schon deshalb fehl am Platz, weil zum Sachverständigen auch Personen bestellt werden könnten, die nicht in die Liste eingetragen seien (vgl § 126 StPO). Der Abschluss der Pflichtversicherung nach § 2a SDG sei lediglich Voraussetzung für die Eintragung in die Liste der Sachverständigen.
Fazit: Den Parteien eines gerichtlichen Zivil- oder Strafverfahrens steht kein Anspruch auf Auskunft gegenüber dem in diesem Verfahren bestellten Sachverständigen über seine Haftpflichtversicherung zu.
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